News

Jänner 2023

Trendwende am Immobilienmarkt – aktuelle Herausforderungen der Branche

von Matthias Rüppl

Stark veränderte Rahmenbedingungen führen zu Problemen

Die Entwicklungen in der Immobilienbranche wurden in den letzten Jahren von zwei externen Faktoren signifikant beeinflusst: kontinuierlich steigende Preise und historisch niedrige Zinsen. Nimmt man die durchschnittlichen Immobilienpreise im deutschsprachigen Raum sowie den EZB-Leitzins für das Hauptrefinanzierungsgeschäft als Betrachtungsbasis, zeigt sich dies ab dem Jahresbeginn 2012 in erkennbar deutlicher Ausprägung.

In den letzten Monaten konnte in der Branche eine deutliche Trendwende festgestellt werden. Nach der langen Kontinuität eines angenehmen Marktumfelds werden die Meldungen inzwischen von stark ansteigenden Zinsen, explodierenden Kosten für Bau und Betrieb (u.a. aufgrund der hohen Energiepreise) und der negativen gesamtwirtschaftlichen Entwicklung weltweit beherrscht. Dies führt bereits zu einer nachlassenden Marktperformance und einem Einbruch des Transaktionsvolumens – ein klarer Krisenindikator.

Die Real Estate-Branche steht nun vor einem Problem: die guten Jahre haben Spuren hinterlassen. Egal ob Bestandshalter oder Entwickler, viele Marktteilnehmer sind nicht optimal für die wirtschaftlich herausfordernden Zeiten aufgestellt. Gleichzeitig befinden sich in den Portfolios Objekte, die aktuell weit von der Rentabilität entfernt sind – und es auch in der Vergangenheit immer waren. Erschwerend kommt dazu, dass viele Unternehmen in den letzten Jahren zu wenig Wert auf entscheidungsrelevante Daten gelegt haben, sowohl auf die reine Verfügbarkeit, aber auch auf deren Qualität. Aussagen wie „wir können unsere Assets under Management nicht mit absoluter Sicherheit bestimmen“ weisen hier auf deutliche Probleme hin.

Optimierungspotenziale: Datenverfügbarkeit und interne Prozesse

Abhilfe schaffen kann hier nur ein Transparenzcommitment, bezogen sowohl auf die interne Aufstellung als auch auf die gehaltenen Objekte. Die Erhebung entsprechender Daten ist dabei definitiv kein Selbstzweck: nur die Kombination aus aussagekräftigen Daten und einer zielführend geschärften Kostenrechnung kann die richtigen Entscheidungsgrundlagen liefert, was die Ergebnisbeiträge einzelner Objekte angeht. Unsere Erfahrung zeigt hierbei, dass in vielen Unternehmen genau diese Ergebnisbeiträge nicht in vollständiger Form bekannt sind – was am Ende zu falschen Investitionsentscheidungen führen kann. Ein aktives und bewusstes Bestandsmanagement kann wiederum nur auf korrekten Ergebnisbeiträgen aufsetzen, um sowohl die Nutzung als auch die Zusammensetzung des Bestands zu optimieren. Parallel dazu muss jedoch zwingend auch die interne Perspektive betrachtet werden: ohne effektive und effiziente Prozesse greifen diese Maßnahmen sonst ins Leere.

Best Practice-Beispiele für Optimierungspotenziale

Beispiele aus der Praxis zeigen schnell, wie sinnvoll eine solche Betrachtung sein kann. Ein klassischer Fall: in einer Immobilie mit einem hohen Anteil an Office-Flächen wurden aufgrund einer Analyse im Jahr 2019 entsprechende Mindestmieten definiert, die für eine rentable Nutzung erhoben werden müssen. Aufgrund der Höhe dieser Mindestmieten stehen die Flächen bei Mieterwechseln oft über einen längeren Zeitraum leer – die Betriebskosten im Leerstand fallen somit beim haltenden Unternehmen an. Eine vollständige Kostenrechnung zeigt schnell, dass eine deutlich günstigere und dafür kurzfristigere Vermietung vorteilhafter ist, da die Betriebskosten so vom Mieter getragen werden müssen. In einem anderen Beispiel wurde ein Komplex aus mehreren Wohnhäusern mit nahezu Vollvermietung aufgekauft; die Renditesituation wird vom Unternehmen als sehr positiv beurteilt. Aufgrund der Gebäudebeschaffenheit und der niedrigen Mietniveaus handelt es sich jedoch um ein Objekt mit sehr hoher Mieterfluktuation, dessen Wohnungen vor allem von Wohngemeinschaften und Berufseinsteiger:innen genutzt wird. Die damit anfallenden Prozesskosten wurden nicht mitbedacht und zeigen in der Gesamtschau ein deutlich schlechteres Bild des Objekts aufgrund des hohen Betreuungsaufwands. Auch in vielen weiteren Fällen aus der Praxis zeigt sich, dass weitreichende Optimierungspotenziale bestehen:

  • So können Zahlungsausfallrisiken deutlich gesenkt werden, indem die Verbrauchsdaten der Mieter unterjährig ausgewertet werden und bei auffallenden Verbräuchen Zwischenabrechnungen gestellt werden.
  • Prozessauswertungen zeigen oftmals, dass über die immobilienwirtschaftliche Leistungskette hinweg mehr Entscheidungskosten entstehen, als der Entscheidungswert per se beträgt – dies kann durch konsequentes Outsourcing in Verbindung mit einer stringenten Outsourcingsteuerung optimiert werden.
  • Notwendige Monitoring- und Reportingdaten liegen oftmals nicht oder nicht in der notwendigen Aggregation vor und müssen mit hohem manuellem Aufwand erhoben und zusammengetragen werden – was sowohl aus Kostensicht als auch in Hinblick auf die Bearbeitungszeit Ineffizienzen darstellt. Hier können individualisierte Dashboards deutlichen Mehrwert bieten, die den relevanten Entscheidungsträgern in Echtzeit entsprechende Informationen liefern.

Zusammengefasst zeigt sich, dass die aktuelle Trendwende in der Immobilienbranche Marktteilnehmer vor dringliche und akute Herausforderungen stellt. Aktives Bestandsmanagement auf Grundlage richtiger und aktueller Daten sowie einer detaillierten Kostenrechnung in Kombination mit der Optimierung interner Prozesse sind dabei die zwei Schlüsselfaktoren, um weiterhin Erfolg zu erzielen.

Projektmagazin - November 2022

Aufbau eines unternehmensweiten Projektreportings

von Patrick Schwarzl

Folgender Beitrag ist eine Zusammenfassung eines detaillierten Fachartikels im Projektmagazin. Sollten Sie Interesse haben, schicken wir Ihnen per Anfrage (patrick.schwarzl@paceup.at) gerne den vollständigen Artikel zu.

Projekte stehen für eine bessere Zukunft, ihre Ergebnisse sollen Wettbewerbsvorteile sichern, die Effizienz steigern oder für spürbar bessere Arbeitsbedingungen und Stabilität im Unternehmen sorgen.

Gleichzeitig binden die Koordination und die Durchführung von Projekten immer mehr Ressourcen. Ein wesentlicher Teil der Arbeitszeit von Schlüsselmitarbeitern ist für die Projektarbeit vorgesehen. Oftmals lässt sich geradezu ein interner Wettkampf um die wertvollen Projektressourcen einzelner Abteilungen (z.B. IT, Produktentwicklung, etc.) beobachten. Auch der finanzielle Aspekt in Form von CAPEX und OPEX spielt eine wesentliche Rolle in der internen Planung.

Trotz der enormen inhaltlichen Wichtigkeit und Bedeutung für die interne Ressourcenkoordination fehlt in der Regel ein ganzheitlicher Blick auf das aktuelle Projektportfolio. Aufgrund fehlenden, oder mangelhaften Berichten ist das Management vielfach nicht in der Lage, klare Aussagen über den Status und die Entwicklung von Projekten zu treffen. Eine aktive Steuerung ist dadurch nur eingeschränkt möglich.

Folgender Beitrag beschäftigt sich mit den Anforderungen, die ein modernes Projektreporting leisten muss, und zeigt anhand von Beispielen, wie diese in der Praxis umgesetzt werden können.

Anforderungen an das Projektreporting

Für ein schlagkräftiges Projektreporting müssen vier konkrete Anforderungen berücksichtig werden:

  1. Klare Vorgaben zum Projektmanagement
  2. Auf Empfänger und Steuerungszweck abgestimmte Reportinginhalte und Auswertungsperspektiven
  3. Durchgängiger Datenfluss von der Erfassung bis zur Veröffentlichung
  4. Einsatz moderner Reporting-Software

1. Klare Vorgaben zum Projektmanagement

Das Projektreporting wird nicht zum Selbstzweck aufgebaut, sondern soll vielmehr als wesentliches Werkzeug für die professionelle Koordination, Umsetzung und Nachbetrachtung von Projekten in der Steuerung verankert werden.

Durch ein klares Projektmanagement-Konzept werden Rahmenbedingungen geschaffen und notwendige Informationsbedarfe abgeleitet. Bild 1 zeigt die wesentlichen Eckpfeiler typischer Projektmanagement-Vorgaben, die sinnvollerweise in einem eigenen Projektmanagement-Handbuch zusammengefasst werden:

Bild 1: Grundlagen für die Ableitung eines Projektreportings

2. Auf Empfänger und Steuerungszweck abgestimmte Reportinginhalte und Auswertungsperspektiven

Auf Basis der allgemeinen Rahmenbedingungen werden für die jeweiligen Stakeholder konkrete Reporting-Inhalte und Auswertungsperspektiven abgeleitet. Wesentlich dabei ist, aus der Vielzahl verfügbarer Daten die relevanten Informationen für die Empfänger abzuleiten.

Eine vereinfachte Darstellung der Zuordnung der Stakeholder-Informationsbedarfe zu den Phasen des Projektmanagement-Prozesses zeigt Abbildung 2.

Bild 2: Beispielhafte Ableitung von relevanten Auswertungssichten

Für einen möglichst empfängerorientierten Informationsfluss gilt das Leitprinzip, dass die Informationen der unterschiedlichen Perspektiven aufeinander aufbauen, und ein durchgängiger „Drill-down“ zwischen den einzelnen Auswertungen möglich ist.

Abbildung 3 zeigt wie mit Hilfe unterschiedlicher Auswertungsperspektiven eine optimale Informationsversorgung für die jeweiligen Projektrollen sichergestellt wird.

Bild 3: Projektreporting mit “Drill-Down”-Möglichkeit

In der Regel sind zumindest folgende unterschiedliche Auswertungsperspektiven für eine erfolgreiche Projektsteuerung notwendig:

  • “High-level” Portfoliosicht für raschen Überblick und Einstieg für Detailauswertungen
  • Portfolio-Statusübersicht/”Exception Reporting” für komprimierte Abbildung der Projektstati und Abweichungsübersichten – so zeigt sich Zusammensetzung und „Reifegrad“ des Portfolios
  • Projekteinzelsicht für relevante Projektdetails
  • Ressourcensicht für Auslastungs- und Kapazitätsübersichten sowie Ableitung kritischer Engpässe

Zusätzliche Auswertungsperspektiven sollten je nach Umfang, Diversität und Zusammenhang des jeweiligen Projektportfolios durch die Berichtsersteller evaluiert werden.

3. Durchgängiger Datenfluss von Erfassung bis zur Veröffentlichung

Um sowohl Datenqualität als auch eine möglichst effiziente Berichtserstellung sicherzustellen, muss ein abgestimmter, möglichst automatisierter Datenfluss etabliert werden. Durch standardisierte Erfassung von Projektinformationen in möglichst wenigen Tools wird eine einfache Weiterverarbeitung und Aggregation sichergestellt.

Für die Eingabe sollten strukturierte und möglichst anwenderfreundliche Vorlagen von der Projektanlage bis zum Abschluss zur Verfügung stehen (siehe Abbildung 4).

Abbildung 4: Beispiele für strukturierte Projekterfassung

Grundsätzlich gilt: je weniger unterschiedliche Tools für das Erfassen und Bereitstellen von Projektinformationen im Einsatz sind, desto einfacher ist die Aufbereitung von Projektreports. In der Praxis ist jedoch häufig zu beobachten, dass mehrere unterschiedliche Quellen gleichzeitig einbezogen werden müssen. Eine Automatisierung der Schnittstellen ist dabei unbedingt anzustreben, um für den Endanwender eine komfortable, zentrale Reportingquelle sicherstellen zu können.

4. Einsatz moderner Reportingsoftware

Für die Informationsbereitstellung wird der Einsatz moderner Dashboard-Lösungen empfohlen. Durch Datenfilterungen und Drill-Down-Funktionen wird es möglich, auf wenigen Berichtsseiten die wichtigsten Informationen kompakt bereitzustellen.

Darüber hinaus profitiert man von umfangreichen Visualisierungsmöglichkeiten und nutzerfreundlicher Bedienung sowie der Möglichkeit, Schnittstellen zu anderen Systemen aufbauen zu können.

Beispiel für ein durchgängiges, modern aufbereitetes Projektreporting

Ausgangspunkt für nachstehendes Beispiel ist ein Unternehmen mit einer umfangreichen, heterogenen Projektlandschaft. So gibt es etwa mehrere definierte Projekte in den Bereichen „internes Performance Improvement“, „Expansion / Market“ und R&D. Obwohl jeder dieser Projekttypen unterschiedliche Spezifika aufweist, soll es möglich sein, eine gesamthafte Aussage über das Projektportfolio treffen zu können. Dies wird durch standardisierte, für alle Projekte verpflichtende Hauptinformationen geschafft, die mittels Dashboard-Berichten aggregiert bereitgestellt werden können. Um für alle Stakeholder innerhalb des Projektmanagements die wesentlichen Informationen bereit zu stellen, werden weitere Detailsichten bis hin zum Projekteinzelreport ergänzt.


Projektportfolio-Report

Abbildung 5 zeigt die Einstiegsseite des Projektreports, die einen ersten raschen Überblick ermöglicht und dem Management als Absprungbasis für weitere Detailauswertungen dient. Die Darstellungen sind dabei bewusst auf die wesentlichen Kerninformationen reduziert:

  • Portfoliostruktur
  • Ressourceneinsatz
  • Projektstati
  • Wesentliche Abweichungen

Die Übersicht wirkt auf dem ersten Blick sehr einfach – durch Einsatz der Detailfilter am oberen Seitenrand werden allerdings schon hier umfangreiche Auswertungen möglich.

Abbildung 5: Aggregierte Sicht auf das Projektportfolio

Portfolio-Statusübersicht

Für ein detaillierteres Verständnis zur Portfoliostruktur steht die Portfolio-Statusübersicht zur Verfügung. Abbildung 6 zeigt die Zusammensetzung des Portfolios auf Basis einer komprimierten Tabelle, in der die wesentlichen Projektinformationen je Zeile abgebildet werden.

Durch die Kombination der aggregierten Portfoliosicht mit den Grobdetails der einzelnen Projekte wird der rasche Absprung in die detaillierte Projekteinzelsicht ermöglicht.

Die Auswertung eignet sich speziell auch für Programmverantwortliche, die einen raschen Blick auf alle für sie relevanten Projekte erhalten möchten.

Abbildung 6: Portfolio Statusübersicht

Projekteinzelsicht

Die Projekteinzelsicht liefert alle relevanten Detailinformationen für die operative Projektsteuerung. Sie erlaubt der Projektleitung nicht nur eine schnelle Übersicht über den aktuellen Status Quo, sondern dient ebenso zur Kommunikation mit dem Projektauftraggeber oder anderen Stakeholdern.
Gleichzeitig bildet sie eine wesentliche Informationsquelle für Projektmitarbeiter und dem internen Informationsaustausch am Projekt.

Abbildung 7 zeigt einen möglichen Aufbau, wobei abhängig vom benötigten Informationsvolumen eine themenspezifische Aufteilung auf mehrere (Detail-)Seiten in Erwägung gezogen werden kann.

Abbildung 7: Projekteinzelbericht

Ressourcensicht

Als Ergänzung zu den Berichten über Projekte und Portfolio liefert der Ressourcenbericht (Abbildung 8) eine rasche Übersicht über freie / belegte Personalressourcen und ermöglicht somit eine effiziente Ressourcenabstimmung. Adressaten sind speziell Projekt- und Bereichsleiter, als auch Projektauftraggeber und die Geschäftsleitung.

Abbildung 8: Ressourcenbericht

Bild 9: Ressourcenzuteilung

Mehrere Umsetzungsprojekte haben gezeigt, dass es sich ebenfalls empfiehlt eine entsprechende Nachkontrolle als zusätzliche Steuerungssicht anzubieten. Geplante Projektstunden werden den jeweiligen Ist-Kontierungen gegenübergestellt. Damit werden nicht nur Planüberschreitungen transparent gemacht, sondern häufig beobachtbare “strategische Ressourcenblockaden” bzw. zu hoch geplante Sicherheitspolster thematisiert. Bild 9 zeigt eine mögliche Reportingvorlage, bei der Plan- und Ist-Stunden auf Basis mehrerer Auswertungsdimensionen (im konkreten Fall: Standort, Projekt und Kalenderwoche) gegenübergestellt werden. Auch hier bilden mehrere Filtermöglichkeiten (etwa nach Projektleitung, Projekttyp etc.) die Basis für unzählige (Detail-)Analysen.

Bild 10: Plan-Ist-Vergleich

Fazit

In Projekten werden wichtige Weichen für die Zukunft von Unternehmen gestellt. Damit sie erfolgreich umgesetzt werden können, müssen wesentliche personelle sowie finanzielle Ressourcen eingesetzt werden. Umso wichtiger ist es daher, beständig einen klaren Überblick über das aktuelle Projektportfolio zu haben, um es effizient steuern zu können. Ein schlagkräftiges, auf die jeweiligen Bedürfnisse abgestimmtes Projektreporting ist dafür ein zentraler Erfolgsfaktor.

Wichtig dabei ist ein ganzheitlicher Blick auf die Dinge. Durch die Nutzung moderner Dashboard-Lösungen können Sie dies durch wenige, aber dafür umso smartere und interaktive Berichte sicherstellen.

Die technische Lösung ist allerdings nur ein Teilaspekt. Voraussetzung sind klare Vorgaben im Projektmanagement, sauber aufeinander abgestimmte Prozesse und eine entsprechend gepflegte Datenbasis. Je höher der Anteil der in Projekten gebundenen Ressourcen oder der Anteil von Projekten an der Gesamtwertschöpfung, desto intensiver sollten sich Unternehmen mit dem Thema beschäftigen.

CFO Artikel - Juli 2022

S/4HANA-Umstellung erfolgreich meistern – klare Anforderungen als Grundstein eines erfolgreichen Projekts

von Raoul Ruthner

Die Umstellung aus SAP S/4HANA ist aktuell eine wichtige Herausforderung für viele Unternehmen. Wie bei jedem weitreichenden Eingriff bzw einer Umstellung des ERP-Systems handelt es sich dabei um ein Projekt erheblicher Komplexität, das Risiken und Chancen mit sich bringt. Eines lässt sich hierbei jedoch klar herausarbeiten: die Fokussierung auf eine reine IT-Umstellung ist zu eng gefasst. Die Realisierung von Potenzialen muss als weitreichende Transformationsaufgabe verstanden werden, bei der klar formulierte und abgestimmte Anforderungen den wichtigsten Grundstein liefern.

1. Die herausfordernde Ausgangssituation

Die Umstellung von SAP ECC auf SAP S/4HANA beschäftigt derzeit viele Unternehmen, nicht zuletzt, weil 2027 die Mainstream Maintenance für SAP ERP und 2030 die Extended Maintenance auslaufen, und ein Umstieg unausweichlich wird. Während einige Unternehmen diesen Weg bereits erfolgreich bestritten haben, ist der Umstieg auf S/4HANA bei vielen Unternehmen aktuell am Laufen bzw steht diese manchen sogar noch bevor. Eine solche Umstellung ist nicht nur mit hohem Aufwand verbunden, sie birgt auch zahlreiche Risiken und Potenziale.

Zudem ist eine derart weitreichende Umstellung auch eine Chance, diese nicht nur als Projekt zur Implementierung einer neuen Software anzusehen, sondern ein grundlegendes Transformationsprojekt zu starten und so Potenziale durch eine Verbesserung von Geschäfts- und Steuerungsprozessen, sowie dem Steuerungsmodell zu realisieren. Hier spielt selbstverständlich auch der grundlegende Umstellungsansatz (Brownfield vs Greenfield) eine maßgebliche Rolle.

Zentral in jedem S/4HANA-Umstellungsprojekt ist immer eine klar ausformulierte, intern abgestimmte und gemeinsam getragene fachliche sowie daraus abgeleitete technische Anforderungsdefinition. Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich damit, einige wesentliche Erfolgsfaktoren für eine erfolgreiche Anforderungsdefinition herauszuarbeiten und beleuchtet auf Grundlage von konkreten Projekterfahrungen unterschiedliche Facetten als Basis einer erfolgreichen S/4HANA-Umstellung.

2. Ausgewählte Gestaltungsempfehlungen für ein erfolgreiches Transformationsprojekt

Angesichts der oben skizzierten Ausgangssituation stellt sich für viele Unternehmen die Frage, welche konkreten Gestaltungsempfehlungen für die S/4HANA-Umstellung gegeben werden können. Die hier angeführten Empfehlungen haben keinen „one-fits-all“-Charakter und sind daher ggf kontextspezifisch zu hinterfragen und auch anzupassen. Sie liefern aber einen Handlungsrahmen für die Ausgestaltung eines erfolgreichen Projekt- Setups und können in bereits bestehende Projektansätze integriert werden.

2.1. Eine klare Projektvision liefert Guidance

Zu Beginn steht im Idealfall eine Projektvision, die in Abstimmung mit dem (Top-) Management formuliert und kommuniziert wird. Darin werden wesentliche Zielsetzungen des Projekts festgelegt und dienen als „Leitplanken“ für die weiteren Konzeptionsarbeiten. Somit wird die Zielrichtung der weiteren Konzeptionsarbeiten im Sinne verbindlicher Management-Vorgaben für das Projekt definiert. Hier sind Schwerpunktsetzungen wie beispielsweise Effizienzgewinne und Automatisierung, Datenqualität, Zentralisierung usw in deren jeweiligen Prioritäten (auch zueinander iS möglicher Tradeoffs) zu diskutieren und formulieren. Zudem sind dabei auch die wesentlichen Vorgaben in Richtung der technischen Umsetzung zu definieren. Dies beinhaltet in der Regel eine klare Ausrichtung am SAP-Standard bzw auch die Festlegung als führendes System.

Auch, wenn die initiale Formulierung der Projektvision manchmal als „Pflichtübung“ wahrgenommen wird, zeigt sich im Projektverlauf oft der Nutzen von klar ausformulierten und gemeinsam verabschiedeten „Leitplanken“. Spätestens mit ersten Richtungsstreitigkeiten in der (Detail-)Konzeption sind diese Festlegungen von erheblichem Nutzen und können konzeptionellen „Querschlägern“ vorbeugen. Zudem tragen sie auch maßgeblich dazu bei, vorschnellen Eskalationen in Richtung Steering Committee unnötig zu machen.

2.2. Anforderungen Top-down ableiten und sukzessive Bottom-up ergänzen bzw schärfen

Die Umstellung auf S/4HANA bildet (wie bereits weiter oben herausgearbeitet) eine hervorragende Möglichkeit, weitreichende Umstellungen bei Prozessen und im Steuerungsmodell des Unternehmens vorzunehmen. In dieser Tragweite ist dies eine Chance, die sich idR nur rd alle 20 Jahre (mit der Umstellung des ERP-Systems) ergibt und daher auch genutzt werden will. Es erfordert damit aber eine breite Einbindung relevanter Personen bzw Key-User in die Anforderungsdiskussion. Was anfangs meist ein positives Momentum erzeugt, kann sich rasch in vielen Detaildiskussionen, gegenläufigen Bedarfen bzw Anforderungen und in weiterer Folge einem Projektstillstand niederschlagen.

Um diesem Stolperstein von Beginn an auszuweichen, empfiehlt sich eine smarte Workshop- Planung zur Anforderungsdiskussion, die einem Top-down-Ansatz folgt und nicht in reinen Bottom- up-Diskussionen verhaftet bleibt. Hierzu sind zuerst Zielbilder für die einzelnen Konzeptionsbereiche auszuarbeiten, die dann (insbesondere mit dem Top-Management) abgestimmt werden. Damit einher geht auch das transparente Aufzeigen der sich jeweils ergebenen Konsequenzen, auch im Lichte der oben definierten Projektvision. Anhand der ausgearbeiteten und abgestimmten Zielbilder geht das Projekt dann in eine weitere Detaillierung der konzeptionellen Anforderungen in Workshops in breiterer Runde und damit auch in die operativen Anforderungen der Key-User. Die Ableitung der Anforderungen für S/4HANA müssen konsequent an der übergeordneten Projektvision bzw den Projektzielen ausgerichtet werden und auch bleiben.

2.3. Festlegung und Detaillierung der Anforderungen in kleinen, schlagkräftigen Teams in Kombination mit größeren Sounding-Runden

Wie oben angeführt, ist ein Top-down-Ansatz in der Anforderungsdefinition zu empfehlen und durchgängig umzusetzen. Ein klares Learning für eine erfolgreiche Anforderungsdiskussion ist eine sinnvolle Arbeitsteilung in Arbeitsgruppen zur Detailarbeit und Sounding-Runden zur Abstimmung der Anforderungen. Während zB die Anforderungen an die Kostenrechnung in kleinen Teams mit den Controllern formuliert werden, sind die Festlegungen mit deren Auswirkungen auf die Steuerung dann mit Fachbereichen (beispielweise Abteilungs-/ Bereichsleitern, Standortleitungen, …) abzustimmen.

Die Erfahrung zeigt aber, dass die Kombination von Detaildefinition und Sounding in Workshops meist nicht optimal funktioniert und weder effizient noch effektiv verläuft. Eine breite Durchmischung der Teilnehmer hilft zwar dabei, unterschiedliche Perspektiven einzubringen, scheitert aber meist an der Festlegung der sinnvollen „Flughöhe“ in der Diskussion, oder anders ausgedrückt: das Management interessiert, welche Informationen es erhält und das Controlling, wie es diese Daten bereitstellt. Beides in gemeinsamen Workshops zu diskutieren, ist oft nicht zielführend und verursacht im Projekt zunehmend Friktionen.

2.4. Konkrete Anwendungsfälle (Case-Studies) helfen in der Abstimmung mit dem (Top-) Management

Die Umstellung in Richtung S/4HANA lässt sich auch ideal dafür nutzen, um Vereinfachungen umzusetzen oder eine weitreichende Neuausrichtung vorzunehmen. Dabei geht es um unnötige Komplexität in Steuerungssystemen, ineffiziente Prozesse bzw Abläufe oder aber auch darum, konkrete Änderungen
bestmöglich darzustellen und so einen Eindruck von den Konsequenzen zu vermitteln. Sinnvolle Vereinfachungen (zB in der Steuerung) scheitern oft daran, dass die Angst ein Informationsdetail zu verlieren den Nutzen (vermeintlich) übersteigt. Die Konsequenzen daraus sind meist der Erhalt unnötiger Komplexität (zB bei Kontierungsobjekten) oder aber auch damit verbundener Planungs- und/oder Erfassungsaufwand.

Erfahrungsgemäß sind hierzu verschriftlichte Case-Studies sinnvoll, da sie die Möglichkeit bieten, komplexe Sachverhalte und Änderungen transparent darzustellen, sie legen andererseits aber auch die Basis für eine gute Kommunikation mit dem (Top-)Management über mögliche Auswirkungen. Hierzu zählt auch eine objektive Aufbereitung von Vor- und Nachteilen, ggf auch technischer Auswirkungen. Oft wird aus vermeintlichen Effizienzgründen auf die Ausarbeitung von sinnvollen Case-Studies verzichtet, mit der potenziellen Gefahr, dass suboptimale Entscheidungen im Zuge der Anforderungsdefinition getroffen werden oder aber zu einem späteren Zeitpunkt nochmals angepasst werden müssen.

2.5. Verschränkungen und wechselseitige Abhängigkeiten zwischen Systemen dürfen nicht unterschätzt werden

Gemeinsam mit der Umstellung aus S/4HANA sind oftmals auch andere Applikationen bzw Tools umzustellen. Beispielsweise endet 2027 auch die Maintenance für zahlreiche SAP-Planungsapplikationen (ua für BPC Standard, BPC Embedded, BPC for S/4HANA, …). Daher sollte ein zukunftssicherer Bebauungsplan bzw eine intendierte Zielarchitektur für die Gesamtsteuerung frühzeitig definiert sein, der dann auch Orientierung für das weitere Projekt liefert.

Aufgrund der in der Regel hohen Ressourcenbelastung rd um den Go-Live von S/4HANA, sind andere relevante Umstellungsprojekte (Planung, Reporting, …) rechtzeitig und mit realistischer Ressourcenauslastung einzuplanen. Zudem sind auch allfällige strukturelle Änderungen bei Kostenstellenstruktur,
Kostenarten(gruppen), PSP-Elementen ggf auch in deren Zusammenspiel mit der zukünftigen Reporting- und/oder Planungslösung konzeptionell mitzudenken, da auch bei Beibehaltung von bestehenden Planungs- und Reporting-Werkzeugen Anpassungen notwendig werden können.

2.6. Laufende und enge Verzahnung mit dem technischen Umsetzungsprojekt

Wie bereits weiter oben dargestellt, sind technische Möglichkeiten aus der Umstellung auf S/4HANA transparent herauszuarbeiten und im Wechselspiel mit der technischen Konzeption bzw Umsetzung zu bearbeiten. Daraus entstehende Möglichkeiten und Potenziale (zB Kontierungsobjekte durch Merkmalsanreicherungen zu substituieren, Planungen primär mit einer Tabelle in der Hauptdatenbank zu erstellen oder auch die Erstellung von Planungsszenarien in Echtzeit, …) sind laufend aufzuzeigen, in den konzeptionellen Überlegungen einzubeziehen und dann auch objektiv hinsichtlich deren Umsetzungsaufwand zu bewerten.

Ein laufender, intensiver und vor allem kooperativer Austausch zwischen Konzeptionsteam und technischem Umsetzungsteam ist daher unerlässlich und muss von Beginn an etabliert werden. Hier bildet insbesondere die integrative Projektplanung im Zusammenspiel mit dem SAP Activate-Modell, um „eine gemeinsame Sprache“ zwischen betriebswirtschaftlicher Anforderung und technischer Umsetzung von Beginn an zu etablieren, eine wichtige Grundlage.

Fazit: S4/HANA Umstellung ist kein reines IT-Umsetzungsprojekt

Die Erfahrung zeigt, dass die Umstellung auf S/4HANA nicht als reines IT-Umsetzungsprojekt verstanden werden darf und die strukturierte Beschäftigung mit (fachlichen) Anforderungen den Grundstein für ein erfolgreiches Projekt legt. Nur dadurch lässt sich eine echte und weitreichende Transformation anstoßen, die nachhaltige Optimierungen nach sich zieht. Dies erfordert Zeit und Ressourcen, die aber – wie die Erfahrung zeigt – sinnvoll investiert sind und dabei helfen, Friktionen in der technischen Umsetzung zu verhindern. Ein von allen relevanten Unternehmensbereichen akzeptiertes und mitgetragenes Anforderungs-Set gilt daher als unabdingbar und muss vorhanden sein.

https://www.lindeverlag.at/zeitschrift/cfo-aktuell-9