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CFO Artikel - September 2021

Kostenrechnung in der Industrie: Herausforderungen und Lösungsansätze im Spannungsfeld Vertrieb & Controlling

von Raoul Ruthner und Andreas Feichter

Die Kostenrechnung ist ein zentrales Instrument, auf das der Vertrieb in vielen Industrieunternehmen zurückgreift, um Entscheidungen fundiert treffen zu können. Der vorliegende Beitrag diskutiert anhand von drei unterschiedlichen Fragestellungen, spezifische Anforderungen an der Schnittstelle Controlling – Vertrieb. Zusätzlich werden potenzielle Lösungsansätze skizziert, damit die Grundlagen für vertriebliche Entscheidungen zielgerichtet bereitgestellt werden können.

1. Entscheidungsorientierte Kostenrechnung

Die Kostenrechnung bildet in vielen Fällen den Backbone der finanziellen Steuerung und ist unverzichtbarer Bestandteil eines modernen Controlling- Systems. Trotz des vielfach hohen Detaillierungsgrads, relativ hoher Komplexität, und damit hohem Aufwand im laufenden Betrieb gelingt es der Kostenrechnung oft nicht bzw nur mit erheblichen manuellen Eingriffen, die erforderlichen, entscheidungsrelevanten Informationen bereitzustellen, die für zentrale Entscheidungen im Vertrieb in Industrieunternehmen erforderlich sind.

Die noch immer unzureichende Abbildung der Anforderungen einer zeitgemäßen (finanziellen) Vertriebssteuerung in der Kostenrechnung lässt präsumtive Reibeflächen zwischen Controlling und Vertrieb entstehen. Neben klassischen Aspekten, wie zB der Bereitstellung von Informationen für das Pricing, entstehen in Industriebetrieben aus Sicht der Autoren insbesondere Diskussionen zwischen Vertrieb und Controlling rund um drei Themenstellungen:

  • Sonderkosten von Aufträgen,
  • Änderungskosten und die damit verbundenen Regeln hinsichtlich Verrechnung,
  • Verantwortung für Über- bzw Unterkapazitäten.

Im Folgenden werden diese drei Fragestellungen inkl praxiserprobter Lösungsvorschläge beschrieben. Ziel des Beitrags ist es, Controlling und Vertrieb funktionierende Lösungsvorschläge an die Hand zu geben, um Reibungsverluste in der Zusammenarbeit nachhaltig zu reduzieren. Wichtig sei eingangs noch hervorgehoben, dass der vorliegende Beitrag sehr konkrete Anwendungsfälle herausgreift und beschreibt, nicht jedoch das Gesamtsystem der Kostenrechnung und dessen Optimierung respektive Weiterentwicklung im Fokus hat. Hierfür sei auf andere Publikationen der beiden Autoren verwiesen.

2. Ausgewählte Themen und Lösungsansätze

2.1. Sonderkosten von Aufträgen

Sonderkosten von Aufträgen sind eine laufende Herausforderung und oftmals auch sehr eng mit der endgültigen Kaufentscheidung des Kunden verbunden. Insofern ist die Spezifität eines Produkts bzw einer Leistung (zB kundenspezifische[s] Design/Konstruktion) auch ein wichtiger Hebel bzw Argument für den Vertrieb, einen erfolgreichen Vertragsabschluss herbeizuführen.

Das Controlling muss gemeinsam mit dem Vertrieb die Voraussetzungen schaffen, um eine adäquate Entscheidungsgrundlage bereitzustellen. Dabei gilt eine saubere und verursachungsgerechte Zurechnung von auftragsbezogenen Sonderkosten unabhängig von deren Grund (zB Sonderkonstruktionen in der Entwicklung, spezifische Materialien oder Produktionsschritte in der Produktion, Bedarf an zu beschaffenden Fremdteilen, Sonderdokumentationskosten, aufwendige Installationsarbeiten etc) als wichtige Anforderung an die Kalkulation. Ohne diese Transparenz sind potenzielle Fehlsteuerungen durch den Anreiz, Kaufabschlüsse unter anderem durch aufwendig realisierbare Anforderungen herbeizuführen, die in weiterer Folge maßgeblich durch andere Fachbereiche (Engineering, Operations etc) verantwortet und getragen werden. Im Hinblick auf die tatsächliche Weitergabe der möglichen Kosten an den Kunden kann dann transparent und auf Basis aller relevanter Kostenbestandteile entschieden werden.

Für die Kalkulation gelten selbstverständlich eine Reihe weiterer Anforderungen, die in die generelle Gestaltung einfließen müssen. Neben Berücksichtigung aller anfallenden Kosten (insb spezifischer Einmalkosten/Sonderkosten) sind das unter anderem:

  • Darstellung von im Unternehmen gängigen Deckungsbeitragsstufen,
  • möglichst einfacher und nachvollziehbarer Aufbau,
  • schnelle und einfache Kalkulationsmöglichkeiten durch den Vertrieb,
  • Nähe zu Ergebnisrechnung und
  • unkomplizierter Aufsatzpunkt für Nachkalkulation.

Die in Abbildung 1 angeführte Kalkulationslogik zeigt das Thema Sonderkosten als expliziten und verpflichtend auszuweisenden Bestandteil in der Auftragskalkulation.

Abb 1: Sonderkosten in der Kalkulation

2.2. Änderungskosten

Änderungen und damit verbundene Änderungskosten stellen ein häufig unterschätztes Optimierungspotenzial dar. Sie resultieren daraus, dass im Nachgang zur Auftragserfassung bzw Bestätigung Anpassungen der Spezifikation bzw Konstruktion erforderlich sind. Dabei ist die Ursache für eine Änderung klar einzugrenzen:

  • Liegt es beispielsweise daran, dass die Spezifikation durch den Vertrieb unzureichend durchgeführt wurde?
  • Sind maßgebliche Kundenanforderungen erst spät(er) durch den Vertrieb herausgearbeitet und/oder kommuniziert worden?
  • Sind maßgebliche Anforderungen erst nachgelagert durch den Kunden kommuniziert worden; vielleicht erst im Zeitablauf klar geworden?
  • Haben sich Anforderungen (zB aufgrund eines Projekts) grundlegend verändert?

Hierbei ist zu beachten, dass insbesondere der Zeitpunkt von Änderungen maßgeblich für die resultierenden Kosten ist. Konkret ausformuliert bedeutet das, ist die Änderung aufgetreten …

a) zwischen Bestellung und Einlastung des Auftrags,

b) zwischen Einlastung des Auftrags und Start der Produktion oder

c) nach Start der Produktion.

Dies ist insbesondere deshalb relevant, da die damit verbundenen kostenseitigen Auswirkungen stark differieren:

a) Hierbei fallen in erster Linie zusätzliche Prozesskosten im Auftragseingang an.

b) Neben den Bearbeitungskosten im Auftragseingang sind dann uU schon andere Bereiche maßgeblich betroffen wie beispielsweise die Disposition oder der Einkauf und damit einhergehende Beschaffungskosten.

c) Neben den unter b) angeführten Kosten sind hierbei weitreichende kostenseitige Wirkungen wie Bearbeitungskosten in der Produktion, eine Anpassung der Feinplanung, Lager- & Materialkosten bzw Produktionskosten für Produkte, die nicht verkauft werden, zu erwarten.

Zentrale Anforderung ist, dass das Controlling Informationen bereitstellt und alle Kosten von nachträglichen Änderungen transparent macht. Je nach Ursache, Prozessfortschritt und resultierenden Kosten kann der Vertrieb diese Kosten adäquat weiterverrechnen. Dieser Anspruch darf nicht missverstanden werden. Änderungskosten, die aus dem eigenen Verschulden der Organisation entstehen, müssen auch als solche ausgewiesen werden und können nicht an Kunden weiterverrechnet werden. Jedoch ist auch sicherzustellen, dass diese Kosten transparent und entsprechende Maßnahmen eingeleitet werden, um diese zukünftig zu vermeiden. Transparenz hilft daher nicht nur in der Kostenzurechnung ex post, sie entfaltet bei diesem Thema weitreichendes Lernpotenzial, um zukünftig Kosten zu vermeiden.

In letzter Konsequenz muss der Vertrieb, basierend auf einer systematischen Aufarbeitung der Änderungskosten, die Pricing-Strategie für Änderungen definieren und konsequent umsetzen. Das Controlling muss sicherstellen, dass die Kosten nachvollziehbar ausgewertet (differenziert nach Änderungsgründen, Prozesskosten und Verrechenbarkeit an den Kunden) werden können und in die entsprechenden Berichte einfließen.

2.3. Über- bzw Unterkapazitäten

Der Kostenrechnung bzw Unternehmensplanung kommt eine wesentliche Rolle in der Koordination von Vertrieb und Produktion zu, die in vielen Industrieunternehmen nur schwach ausgeprägt ist. Ausgehend von der Absatz- bzw Vertriebsplanung müssen Kapazitäten in der Produktion geplant werden.

Die Kostenrechnung schafft sowohl die planerischen Voraussetzungen als auch im Ist die Transparenz dahingehend, ob die vom Vertrieb „bestellten Kapazitäten“ auch tatsächlich abgerufen werden. In der Ergebnisrechnung kann durch eine entsprechende Abweichungszeile (zB Mengenabweichung – Beschäftigungsabweichung) sichergestellt werden, dass hier die erforderliche Transparenz entsteht. Eine weitere Analyse kann ergeben, dass diese zB auf fehlende Aufträge zurückzuführen ist.

Fehlende Aufträge wären ein Abweichungsgrund der eindeutig im Verantwortungsbereich des Vertriebs liegt (die bestellten Kapazitäten können nicht ausgelastet werden). Umgekehrt wäre zB eine Mengenabweichung, die aus falschen Vorgabezeiten (in der Planung als auch im Ist) resultiert, ein klares Produktionsproblem, da zB Stammdaten bzw Annahmen nicht korrekt sind. Abbildung 2 zeigt die Umsetzung der detaillierten Abweichungsanalyse in der Ergebnisrechnung für ein Industrieunternehmen. In diesem Beispiel erfolgt die oben skizzierte Trennung der Mengenabweichung in die wesentlichen Treiber bzw die jeweiligen Verantwortungsbereiche.

Aus Sicht der Autoren entsteht durch die Bereitstellung vertiefender Informationen zur Kapazitätsnutzung sowie deren finanziellen Bewertung ein deutlich höheres Bewusstsein für das Thema Kapazitätsplanung und -steuerung. Klare Verantwortlichkeiten bis hin in ein MBO-System sorgen sowohl vertriebsseitig als auch in der Produktion für Optimierungen, die unmittelbar ergebniswirksam sind. Der resultierende Optimierungsdruck kann durchaus weitreichende Auswirkungen haben, und lässt sich nur dann lösen, wenn man an die „Wurzeln des Problems“ geht und zB auch die bestehende Planung zielgerichtet optimiert.

Abb 2: Klare Verantwortlichkeiten in der Ergebnisrechnung

Auf den Punkt gebracht

Die Kostenrechnung ist der finanzielle Backbone eines Unternehmens. Sie muss in der Lage sein, Entscheidungen im Vertrieb bestmöglich durch die Bereitstellung entscheidungsrelevanter Informationen zu unterstützen. Gerade der Umgang mit Sonderkosten, nachträglichen Änderungen sowie die Nutzung von Informationen im Zusammenhang mit Unter- und Überauslastungen muss hinreichend gelöst sein, um Friktionen im laufenden Geschäft gering zu halten. Das Controlling als „Owner“ der Kostenrechnung muss hier adäquate Lösungen liefern, um den Vertrieb bestmöglich zu unterstützen und das Optimum für das Unternehmen zu erzielen.

https://www.lindeverlag.at/zeitschrift/cfo-aktuell-9

CFO Artikel - November 2020

Moderne Kostenrechnung – Von der komplexen Rechenübung zum wirksamen Steuerungsinstrument

von Andreas Feichter und Raoul Ruthner

Der vorliegende Beitrag widmet sich der Kostenrechnung als Kernelement der finanziellen Steuerung im Unternehmen. Neben den aktuellen Anforderungen an die Kostenrechnung, die aus der Steuerung neuer Geschäftsmodelle, erhöhter Marktdynamik, Systemumstellungen und natürlich der aktuellen Krise resultieren, wird vor allem ein modernes Top-down-Vorgehensmodell beschrieben. Das dargestellte Drei-Phasen-Modell zeigt einen praxisbewährten Ansatz zur Neuausrichtung der Kostenrechnung und erstreckt sich vom Zielbild, über die Detailkonzeption bis hin zur Umsetzung.

1. Warum das Thema Kostenrechnung?

Das Thema Kostenrechnung hat in den letzten beiden Jahrzehnten im Vergleich zu anderen Controlling-Instrumenten wenig bis gar keine Beachtung erfahren. Vielfach ist es aus dem unmittelbaren Fokus des Top-Managements verschwunden, und die aus dem Kostenrechnungs-System bereitgestellten Zahlen werden als betriebswirtschaftlicher Hygienefaktor wahrgenommen, die nur dann Aufmerksamkeit erregen, wenn qualitative Mängel auftreten oder gewünschte Auswertungen nicht zur Verfügung stehen. En vogue sind Initiativen zur Weiterentwicklung der Kostenrechnung nicht und werden durch die Strahlkraft der allgegenwärtigen Digitalisierungs- und Innovationsprojekte als Randschauplätze gesehen. Die Konsequenz daraus ist, dass Kostenrechnung als – häufig detailverliebte – Spielwiese des Controllings zur Bereitstellung von Zahlen und nicht als Backbone der finanziellen Steuerung wahrgenommen wird.

Aus der Sicht des Controllings ist ebenfalls eine selbstkritische Reflexion dringend notwendig. Die aktuell in Betrieb befindlichen Kostenrechnungssysteme sind oft langjährig gewachsene, inkrementell optimierte und durch hohe Komplexität geprägte Systeme, die zwar unter stabilen Rahmenbedingungen valide Zahlen liefern, aber keine schnelle und flexible Entscheidungsunterstützung mehr bieten. In der betrieblichen Praxis sind die bestehenden Strukturen im Sinne von Kostenarten, Kostenstellen, Abrechnungsvorschriften etc häufig ein Ergebnis additiven Wandels und tragen immensen strukturellen Ballast in sich. Strukturen, in denen es mehr Kostenstellen als Personen gibt, oder Kostenarten die in einem Konzern unterschiedlich genutzt und zugeordnet werden sind keine Seltenheit. Die Barriere zur Ergänzung neuer Kostenstellen ist in der Regel deutlich geringer als sich zu einer konsequenten Bereinigung durchzuringen. Das Ergebnis daraus ist nachvollziehbar: komplexe Systeme, die einigermaßen funktionieren, lässt man in Ruhe und vermeidet weitreichende Eingriffe mit inhärenteren Risiken in der Umsetzung.

Dieses etwas verstaubte Image der Kostenrechnung lässt die Frage aufkommen, warum gerade jetzt das Thema großer Aufmerksamkeit bedarf und im Controlling, gerade aber auch auf Ebene des Top-Managements deutlich mehr Beachtung finden muss. Aus unserer Sicht sind drei Gründe ausschlaggebend:

1. Deutlich höhere Anforderungen an die Steuerung durch neue Geschäftsmodelle und/oder höhere Marktdynamik
Wie bereits oben genannt, sind Kostenrechnungssysteme vielfach starr und wenig flexibel sich geänderten Rahmenbedingungen anzupassen. Das ist die nahezu schlechteste Ausgangslage, wenn sich Geschäftsmodelle laufend oder häufig ändern, neue Geschäfte hinzukommen (oder auch wieder verschwinden) bzw marktseitige Veränderungen anstehen. Typische Herausforderungen sind bspw die kostenrechnerische Abbildung von neuen, innovativen Geschäftsmodellen und deren Bewertung (Wie wird deren Deckungsbeitrag / Profitabilität errechnet bzw wie werden diese kalkuliert? Mit welchen Kosten werden neue Geschäfte belastet? Wann ist mit einem Break-Even eines neuen Produkts / Service zu rechnen? Wie werden die Synergieeffekte aus der Bündelung von Produkten / Services abgebildet? etc). All diese Fragestellungen fordern ein tradiertes und starres System natürlich heraus, weil sich daraus oft weitreichende Anpassungserfordernisse im System ergeben. Allerdings müssen Kostenrechnungs-Mechanismen hierzu auch konzeptionell neu durchgedacht werden. Ansonsten gelingt es nicht, diese Anforderungen abzudecken. Zusätzlich müssen diese Anpassungen als weitreichendes Veränderungsprojekt gesehen werden, da sich neben dem System vor allem auch Prozesse und kulturelle Elemente grundlegend ändern (müssen). Die damit ausgelöste Objektivität und Transparenz müssen Unternehmen vielfach erst verkraften und einen generellen kulturellen Veränderungsprozess durchlaufen.

2. Einführung neuer ERP-Systeme als einmalige Chance zur Weiterentwicklung bzw Nutzung der daraus ableitbaren Potenziale
Die Umstellung des ERP-Systems ist nicht nur ein herausforderndes und aufwendiges Projekt, es birgt auch großes Potenzial zur Umstellung von Prozessen und Arbeitsweisen, und damit weitereichende und nachhaltige Effizienzsteigerungen bzw verbesserte Steuerungsmöglichkeiten. Aktuell sehen wir gerade bei SAP-Kunden durch die erforderliche Umstellung auf S4 HANA hohen Handlungsdruck. Damit einher geht die grundlegende Entscheidung, wie weitreichend man in dem Prozess auch Weiterentwicklungen bzw Vereinfachungen umsetzen will. Gerade aus Sicht des Controllings und der Kostenrechnung ist durch die Umstellung auf ein „Universal Journal“ die Integration von FI und CO realisiert. Umfassende Merkmalsanreicherungen ermöglichen zusätzliche und einfachere Auswertungen, die gerade für das Controlling und das Management als wichtigster Informationsadressat eine neue Steuerungsqualität ermöglichen. Die Integration von FI und CO beseitigt auch die bislang existierende „Bruchstelle“ zwischen Rechnungswesen- und Kostenrechnungs-Daten. Bei SAP-Kunden wird dieser Veränderungsdruck durch die notwendige Umstellung erzwungen, jedoch ist die Frage nach einer generellen und steuerungskonformen Weiterentwicklung der Kostenrechnung bei jeder Neueinführung eines ERP-Systems unbedingt erforderlich. Werden konzeptionelle Anpassungen „verschlafen“, dann ist diese im Nachgang nur schwierig, mit Mehraufwand, oder mit sehr engen Restriktionen umsetzbar.

3. Aktuell krisenbedingte Auswertungs- und Steuerungsanforderungen
Durch die Coronakrise werden viele Versäumnisse in den Controlling-Systemen deutlich und zeigen gerade im Falle der Kostenrechnung viele Schwachstellen schmerzlich auf. Eine präzise, zeitgerechte und transparente Steuerung auf Grundlage valider Kostenrechnungsinformationen ist aktuell für viele Unternehmen bedeutender denn je, fallweise sogar überlebenswichtig. Unter schwierigen Rahmenbedingungen sind kostenrechnerische Fragestellungen eine zentrale Managementinformation (Womit verdienen wir aktuell Geld? Wo verlieren wir Geld? Was sind kurzfristige Preisuntergrenzen? Wo produziere ich kostenoptimal? etc).

Unter diesen Rahmenbedingungen wird eines klar: der Handlungsbedarf zur Weiterentwicklung der Kostenrechnung ist hoch und dringlich. Doch wie nähert man sich diesem Thema im Idealfall? Im Folgenden wird auf Grundlage zahlreicher Projekterfahrungen der letzten Jahre ein Idealbild zur Weiterentwicklung der Kostenrechnung gezeigt und Erfolgsfaktoren herausgearbeitet.

2. Mit einem Drei-Phasen-Modell zur Kostenrechnung NEU

Ein bewährtes Vorgehensmodell umfasst drei Phasen, die jeweils aufeinander aufbauen und eine effiziente Projektmethodik sicherstellen:
1. Festlegung eines Zielbilds für die Kostenrechnung NEU,
2. Detailkonzeptionen sowie
3. Umsetzung und Umsetzungsbegleitung.

2.1. Ein Top-down erarbeitetes Zielbild liefert klare Orientierung
Eine der wesentlichen Erfahrungen und auch Erfolgsfaktoren ist die Festlegung eines klar definierten Zielbilds, dass für alle weiteren Konzeptions- und Umsetzungsschritte Orientierung sowie Leitplanken für die Detailkonzeption liefert. Erarbeitet wird das Zielbild top-down, wobei ein starkes Involvement des Top-Managements und anderer Fachbereiche, wie zB einer Produktion oder eines Vertriebs (zur Klärung von deren Steuerungsanforderungen) neben dem Controlling wesentlich ist. Ein intensives Zusammenspiel aller Fachbereiche von Beginn an ist essenziell, um sicherzustellen, dass die Kostenrechnung als Backbone der finanziellen Steuerung verstanden wird. Als leitende Maxime gilt: die Kostenrechnung liefert Steuerungsinformationen für alle Fachbereiche und ist nicht ein „detailverliebtes“ System des Controllings!

Als Inhalt des Zielbilds sind folgende Bereiche jedenfalls anzusprechen und im Lichte der angestrebten Kostenrechnungssystematik festzulegen. Hierzu gehören …

Die Definition von wesentlichen Leitplanken: Dabei gilt es innerhalb des Unternehmens einen gemeinsamen Konsens über die Fachbereiche zu finden, was für die Steuerung besonders wichtig und somit auch zu realisieren ist. Es werden somit Grundprinzipien (zB Steuerungsrelevanz, Wirtschaftlichkeit etc) für die Kostenrechnung festgelegt. Die Grundprinzipien dienen insbesondere in der weiteren Diskussion zur Ausgestaltung der einzelnen Elemente als wesentlicher Bezugspunkt, da sie wesentliche Richtungsentscheidungen vorwegnehmen.

Festlegungen zentraler Elemente der Kostenrechnung: Die Frage welche Steuerungsebenen/-objekte (Kunden, Projekte, Produkte etc) in der Kostenrechnung abgebildet sein müssen und nach welchen auch zukünftig berichtet werden soll, ist möglichst frühzeitig zu beantworten. Dasselbe gilt für die Frage nach der führenden Rechnungslegungsnorm bzw ob kalkulatorische Positionen ergänzt werden sollen. Neben der Klärung, ob Voll- oder Teilkostenrechnung hat es sich aus unserer Sicht auch bewährt die zukünftige Ergebnisrechnungsstruktur frühzeitig zu definieren und mit dem Management abzustimmen. So ist sichergestellt, dass das Ziel für die zukünftige Ergebnisrechnung von Anfang an klar ist und die einzelnen Elemente der Kostenrechnung so ausgestaltet werden, dass sie auf die Ergebnisrechnungsdarstellung ausgerichtet sind.

Grundsätzliches Zusammenspiel der Kostenrechnung mit anderen Steuerungsinstrumenten/-prozessen: Die Kostenrechnung ist ein elementarer Bestandteil des Controllings und hat so unmittelbaren Einfluss auf andere Instrumente, wie zB die Planung, das Reporting oder diverse (strategische) Entscheidungsrechnungen. Diese sind ebenso im Zielbild zu berücksichtigen und auf einen etwaigen Anpassungsbedarf aufgrund des Zielbilds zu prüfen.

2.2. Detailkonzeption in den Leitplanken des Zielbilds
Aufbauend auf den Inhalten des Zielbilds startet in der nächsten Phase die Detailkonzeption der Kostenrechnung NEU. Das Zielbild liefert dabei die notwendige Orientierung für eine zielgerichtete Detailkonzeption. Insbesondere dann, wenn Partikularinteressen drohen eine Abweichung herbeiführen zu wollen, dient es als notwendiges Korrektiv, um das Projekt weiter auf die im Vorfeld gemeinsam erarbeitete und offiziell verabschiedete Zielrichtung zu lenken.

Die Detailkonzeption ist nahe am Kostenrechnungskreislauf ausgerichtet und startet mit der Betriebsüberleitung und endet in der Ergebnisrechnung. Schrittweise werden die einzelnen Systemelemente (Betriebsüberleitung, Profit Center und Kostenstellenstruktur, Leistungsverrechnungen bzw Umlagen, Tarifkalkulation, Kostenträgerkalkulationen, Ergebnisrechnung bis hin zu Anpassung der Kalkulationslogik) erarbeitet und am Zielbild ausgerichtet. Im Rahmen der Konzeption ist stets darauf Rücksicht zu nehmen, dass es aufgrund der Integration der einzelnen Kostenrechnungselemente immer wieder zu nachträglichen Änderungen kommen kann.

Auch in dieser Phase wird für die Workshops und Arbeitstermine ein fachbereichsübergreifendes Set-up gewählt, um das Commitment zur Kostenrechnung in allen Fachbereichen hoch zu halten. Zudem wird empfohlen parallel die Dokumentation der Ergebnisse in einem Handbuch zur Kostenrechnung vorzunehmen. Dies hat den Vorteil, dass die Konzeptionsergebnisse sofort dokumentiert werden, zwingt aber in weiterer Folge auch zu einer verständlichen und gut nachvollziehbaren Verschriftlichung. Daraus resultiert ein entscheidender Vorteil im Zuge der technischen Umsetzung und im weiteren Roll-out.

2.3. Umsetzung und Umsetzungsbegleitung
Im Anschluss an die Detailkonzeption muss die Umsetzung geplant und realisiert werden. Die Umsetzung erfordert einerseits die fachliche Schiene und andererseits auch die IT. Letzterer kommt in der Umsetzung eine zentrale Rolle zu. So sind zB neue Kostenschemata zu bauen, Verrechnungslogiken zu definieren und breitflächig auszurollen und wesentliche Anpassungen im Datenmodell erforderlich. Die fachliche Rolle in der Umsetzung beschränkt sich nicht ausschließlich auf Tests. Vielmehr ist in der Umsetzungsphase ein Dialog zwischen Controlling als Owner der Kostenrechnung und der IT erforderlich. Sollten Anpassungen des Kostenrechnungskonzepts erforderlich sein, sind ggf auch nochmals die betroffenen Fachbereiche hinzuzuziehen. Kritisch in der Umsetzung ist insbesondere die Timing-Frage, stellt doch die Anpassung der Kostenrechnung – mit Ausnahme der Einführung eines neuen ERP-Systems (bzw Co-Moduls) üblicherweise eine Operation am „offenen Herzen“ dar.

Auf den Punkt gebracht
Die Kostenrechnung ist das Kernelement der finanziellen Steuerung, jedoch in vielen Organisationen „verstaubt“ und nur schwer in der Lage, die gestellten Fragen rasch und qualitativ adäquat zu beantworten. Das bestätigt sich auch im Jahr 2020 im Rahmen der COVID-Krise eindrucksvoll. Aus diesem Grund ist es wichtig, die Kostenrechnung neu auszurichten und im Unternehmen als wesentliche Steuerungselement zu positionieren. Die Kostenrechnung ist für alle Unternehmensbereiche essenziell und sollte nicht als reines Controlling-Element, mit hochkomplexen IT-Abläufen gesehen werden, dass maximal ein bis zwei Experten in der Unternehmung nachvollziehen können. Deshalb ist es wichtig, eine grundlegende Überarbeitung der Kostenrechnung anzustoßen und an den aktuellen und zukünftigen Anforderungen des Top-Managements auszurichten. In der weiteren Konzeption und Umsetzung ist stets darauf zu achten, dass auch die betroffenen Fachbereiche involviert werden – sie müssen mit den Informationen des Kostenrechnungssystems zukünftig tagtäglich arbeiten und somit auch die Ergebnisse und Empfehlungen verstehen und akzeptieren.

http://www.lindeverlag.at/cfo-aktuell

April 2020

Anforderungen an das Reporting in Zeiten von COVID-19

von Patrick Schwarzl und Benjamin Bodzenta

Die Auswirkungen der aktuellen Krise fordern alle Unternehmensbereiche zu raschem Umdenken und Handeln. Führungskräfte sind gezwungen Entscheidungen mit oftmals weitreichenden Folgen in kürzester Zeit zu treffen. Dadurch werden sowohl Qualität als auch Flexibilität des Reporting auf den Prüfstand gestellt: trotz vieler Änderungen im Umfeld und in den Reporting Prozessen (Home-Office, Teleworking, usw.) müssen relevante Daten möglichst zeitnah zur Verfügung gestellt werden.

Fokus auf Engpässe in der Wertschöpfungskette vom Lieferanten bis zum Kunden

Damit Unternehmen in der Krise weiter funktionieren können wird der Fokus auf Engpässe entlang der Wertschöpfungskette gelegt. Durch einen Einbruch der Lieferkette oder stark restriktive Sicherheitsmaßnahmen in der Produktion kann ein bisher reibungslos verlaufender Prozess plötzlich ins Schwanken geraten. Engpässe müssen identifiziert und laufend überwacht werden. In produzierenden Unternehmen sollten beispielweise Lagerstände für Material und Zukaufteile genau beobachtet werden. Das gleiche gilt für die Umsatzseite, bei der es bei vielen Unternehmen starke Verschiebungen zwischen Vertriebskanälen und -regionen zu beobachten sind.

Liquidität aktiv berichten

Die aktuelle Krise hat auch einen massiven Einfluss auf die Liquidität vieler Unternehmen. Trotz angesparter Reserven und staatlicher Hilfspaketen stehen Zahlungsausfälle auf der Tagesordnung. Das fordert eine laufende Liquiditätsplanung und -berichterstattung. Leider können viele Unternehmen diese Information nur eingeschränkt bereitstellen. Umso mehr muss das Controlling in diesen Fällen rasch und pragmatisch handeln. Erfolgsentscheiden dafür ist eine bereichsübergreifende Abstimmung, um Höhe und Zeitpunkt geplanter Zahlungsströme bestmöglich zu koordinieren.

Schnell, flexibel und informativ: Adhoc Reporting als neuer Standard

Während das klassische Standardreporting mit starren Inhalten und Vorjahres- bzw. Budgetvergleichen derzeit wenig Nutzen stiftet, ist es das Adhoc Reporting, das mit selektiven, aber tagesaktuellen Informationen einen wesentlichen Beitrag zu einem erfolgreichen Krisenmanagement liefert. Dabei zählen vor allem Geschwindigkeit und Flexibilität. Die Inhalte selbst müssen regelmäßig angepasst werden, um den sich rasch ändernden Informationsbedarfen des Managements gerecht zu werden. Eine Beschleunigung des Reportingprozesses ist dabei nur möglich, wenn eine drastische Reduzierung der Detailtiefe zusammen mit einer Verschlankung der Inhalte auf die wesentlichen Kennzahlen forciert wird. Seitenlange Anhänge mit Detailtabellen stehen aktuell nicht im Fokus. Anstelle von umfangreichen Kommentaren erfolgt die Kommunikation durch direkte Telefon-, oder Online-Durchsprachen.

Reporting aus dem Homeoffice

Beim Umstieg auf Homeoffice werden auch die Reportingprozesse auf die Probe gestellt. Wie resilient sind die Arbeitsschritte? Was passiert, wenn mehrere Mitarbeiter ausfallen? Es gilt daher Prozessschritte, Berechtigungen und Zugänge der Teammitglieder genau zu überprüfen, um einen reibungslosen Informationsfluss sicherzustellen. Eine weitere wesentliche Herausforderung liegt im Umstieg auf Telefon- oder Videokonferenz zur Berichtsdurchsprache. Besonders für Unternehmen mit wenig Erfahrung mit dem Thema Homeoffice fällt der Umstieg schwer. Daher ist eine gute Vorbereitung der Termine (Technik Test, Agenda, Beschränkung auf wesentliche Teilnehmer und Einhaltung von Meetingdauer, …) unerlässlich.

Fazit

In Zeiten von COVID-19 werden neue Anforderungen an das Reporting gestellt. Neue und wechselnde Reportinginhalte, tägliche Updates, und ein Umstieg auf Homeoffice stellt viele Controlling-Teams vor große Herausforderungen. Im Reporting gilt es darauf schnell und flexibel zu reagieren. In vielen Unternehmen nimmt das Controlling damit eine treibende Rolle im Krisenmanagement ein. Es entsteht die Chance, die aktuelle Situation als Anstoß für eine Neuausrichtung des Reporting zu nehmen. Durch neue Fokusthemen und Inhalten, sowie neuen Ansätzen zur Berichtsdurchsprache kann das Controlling langfristige Akzente setzen und sich damit als starker, krisenfester Partner für das Management etablieren.

https://insights.controller-institut.at/anforderungen-an-das-reporting-in-zeiten-von-covid-19/